Warum und wie sich zB ein "fester" Knackpo negativ auf unsere Knie auswirken kann
Schön, gesund und fit auszusehen bedeutet nicht immer, dass es das auch ist. Immer wieder kann der Schein trügen und speziell fleissige Athlet/innen trainieren hart und kämpfen gegen körperliche Beschwerden und Schmerzen, ohne zu wissen wo diese eigentlich herkommen. In diesem speziellen Fall handelt es sich um Beschwerden an:
- der äußeren Hüfte
- dem äußeren Oberschenkel
- dem Knie an der Außenseite (das sog. Läuferknie / Tractussyndrom)
Abbildung: Schmerzen am Knie werden oftmals durch physiotherapeutische Maßnahmen gelindert und entsprechend therapiert. Die Ursache für gewisse Schmerzen bleiben immer wieder unerkannt. In der Praxis ergibt sich eine komplette Heilung auch aus Veränderungen im alltäglichen Leben und dem regelmäßigen Training.
Dabei können diese Schmerzen an nur einem dieser drei Bereiche auftreten, oder im Extremfall an allen drei Bereichen. Vorweg sei noch zu sagen, dass dieser Artikel lediglich bei der Selbstdiagnose unterstützen soll und keine allgemein gültige Anleitung zur garantierten Heilung / Therapie darstellt. Dazu ist eine fachlich fundierte und persönlich durchgeführte Untersuchung des Klienten erforderlich. Dieser Artikel zeigt jedoch lediglich eine sehr wahrscheinliche Möglichkeit auf, was die Ursache für Eingangs beschriebene Beschwerden sein könnte.
Der Musculus gluteus medius und seine Fasize
Hauptverantwortlich für einen schönen und festen Knackpo ist der Musculus gluteus maximus. Dieser ist auch in funktioneller Hinsicht äußerst wichtig und es macht auf jeden Fall durchaus Sinn, diesen Muskel gut zu trainieren. Ein starker Gluteus hat auch viele essentielle Vorteile für den menschlichen Bewegungsapparat. Der Musculus gluteus maximus ist direkt mit dem Tractus Iliotibilalis (auch genannt: Oberschenkelbinde) verbunden. Dies ist eine sehr breite und starke Sehnenplatte, welche an der kompletten Oberschenkel-Außenseite bis hinunter zum Schienbein (zum Condylus lateralis tibiae) verläuft und somit eine extrem wichtige Stütze für den Oberschenkel darstellt (damit dieser zB beim Laufen nicht einfach durchbricht) und das Knie lateral (von außen) stabilisiert. Ebenfalls verbunden mit dem Tractus Iliotibialis ist der Musculus gluteus medius, wenn auch "nur" indirekt über dessen Faszie, die sich am oberen Ende des Tractus Iliotibialis befindet und diesen ebenfalls aufspannt. Durch muskuläre Dysbalancen in der Hüfte kann es dazu kommen, dass genau diese Faszie des Musculus gluteus medius "verklebt" / verspannt ist und einen unerwünschten Zug auf den Tractus Iliotibialis ausübt, ein Zug der sich über den ganzen Tractus hinunter bis zum Knie auswirken kann. Dabei handelt es sich oft um eine "schleichende" Angelegenheit, die grundsätzlich erst dann entdeckt wird, wenn Schmerzen auftreten, wie das plötzliche Stechen im Falle des Läuferknies.
Der Musculus gluteus medius und seine Rolle auf das Läuferknie
Aus der jahrelangen praktischen Erfahrung von Sporttherapeut Mario Mostböck vom Team-Sporttherapie ist bekannt, dass anstelle des Musculus gluteus maximus vielmehr der Musculus gluteus medius eine tragende Rolle für die Beschwerden eines Läuferknies übernimmt. Der M. gluteus medius ist zwar "nur" indirekt über Faszien mit dem Tractus Iliotibialis verbunden, hat aber offenbar in der Praxis laut Mario Mostböck durchaus mehr Einfluss auf das Läuferknie als der M. gluteus maximus. Diese Erfahrung bringt Mostböck, der sich im Therapeuten-Pool vom Faszienspezialisten Dr. Robert Schleip befindet, aus mittlerweile über 1.500 erfolgten Läuferknie-Behandlungen mit. Die Arbeit an der Faszie des Musculus gluteus medius hilft hier unter anderem die Beschwerden in den Griff zu bekommen.
Abbildung: Das Zusammenspiel zwischen M. gluteus maximus, M. tensor fasciae latae und der daraus resultierenden Verfassung der Tractus iliotibialis-Sehne kann auch ein Grund für das sogenannte Läuferknie sein.
Tractus iliotibialis - die Oberschenkelbinde
Nun sehen wir uns die Oberschenkelbinde noch etwas genauer an. Diese "Sehnenplatte" ist verbunden mit:
- Musculus tensor fasciae latae (Schenkelbindenspanners bzw. Spanner der Oberschenkelbinde)
- Faszie des Musculus gluteus medius
- Musculus gluteus maximus
Diese Sehne zieht von der Spina iliaca anterior superior außen am Oberschenkel entlang über das Hüft- und Kniegelenk zum Condylus lateralis tibiae, an das so gennante Gerdy-Höckerchen an der Tibia, dem Schienbein.
Der Tractus iliotibialis verbindet Gesäß und Hüfte mit dem Knie
Schmerzen am äußeren Oberschenkel können plötzlich entstehen, wenn oben beschriebene Gesäß- und/oder Hüftmuskeln schon länger verspannt sind und dann abrupt an den ständig angespannten Muskeln und/oder an der Tractus iliotibialis reißt, dehnt oder zerrt. Oft schmerzen die Oberschenkel außen auch, wenn man längere Zeit Druck auf sie ausübt, beim Schlafen in Seitlage zum Beispiel. Ein "beleidigter" Tractus ilitibialis fühlt sich von außen hart und verspannt an. Zudem ist es in der Regel schmerzhaft, wenn man auf diese Sehne drückt.
Bei Läufer/innen und Radfahrer/innen wird immer wieder ein Stechen am äußeren Knie schnell mit O-Beinen und Fußfehlstellungen, wie zum Beispiel der Überpronation im Sprunggelenk, assoziiert. Ein (weiterer) Grund für diese Beschwerden kann eben auch die Oberschenkelbinde sein. Ein Indiz dafür lässt sich eigentlich relativ einfach feststellen. Fühlt sich der Tractus iliotibialis sehr hart (wie eine Platte) an und schmerzt diese sehr bei Berührungen bzw. Druckausübung (zB mit der Blackroll, Massage, ..), dann scheint hier jedenfalls ein "Problemchen" zu vorhanden zu sein. Zusätzlich kann man die Außenseite der Hüfte abtasten, ob diese sich sehr hart anfühlt. Hier außen liegt der Musculus tensor fasciae latae, der den Tractus iliotibialis spannt. Ist dieser eigentlich fast unscheinbare Muskel sehr hart, dann weist das auf einen übermäßigen Zug auf die Oberschenkelbinde hin. Und ähnlich verhält es sich mit dem Musculus gluteus maximus, der sich im Idealfall bei entspannten Zustand NICHT hart anfühlen sollte.
Das sogenannte Läuferknie / Tractussyndrom
Das Problem des "Läuferknies" kommt typischerweise auch bei Radfahrer/innen häufig vor. Es beginnt während der Aktivität plötzlich zu "stechen" am äußeren Knie. Die ursächliche Grund für die Symptome des Läuferknies liegt höchstwahrscheinlich am Zustand des Tractus iliotibialis, der oben beschriebenen Oberschenkelbinde. Der Zustand wird auch vom Kräfte- und Spannungsverhältnis der direkt damit verbundenen Strukturen und Muskeln beeinflusst. Aus diesem Grund ist es empfehlenswert, schon präventiv die Muskulatur funktionell zu trainieren, dh. gezielt Kraft in der Hüfte aufzubauen, Hüftblockaden zu lösen, entsprechend zu dehnen und zu mobilisieren.
Die Lösung für bereits bestehende Beschwerden des Läuferknies liegt dann oftmals an einem "kurzen" Stopp des spezifischen Lauf- oder Radtrainings über den Zeitraum von ein paar Wochen, in welchem gezielt und funktionell an den muskulären Ursachen gearbeitet wird. Je sorgfältiger man in diesem Zeitraum gewissenhaft an seinen Dysbalancen arbeitet, umso schneller kann das Lauf- oder Radtraining wieder im schmerzfreien und gesunden Zustand fortgeführt werden. Und zusätzlich empfiehlt sich eine sporttherapeutische Behandlung, zum Beispiel von Mario Mostböck vom Team-Sporttherapie.
Das Tractussyndrom (oder Tractus iliotibialis Syndrom)
Die typischen Symptome des Tractussyndrom sind:
- Stechende Schmerzen an der Außenkante des Knies während des Laufens oder Radfahrens bei Belastung.
- Schmerzende Reizzustände im Bereich des äußeren Knies.
- Hohe schmerzhafte Druckempfindlichkeit der umliegenden Strukturen am äußeren Knie.
- Schmerzen treten erst ab einer gewissen Distanz auf. Bis dahin toleriert der Körper die Fehlbelastung.
Typische Ursachen des Tractussyndrom sind:
- Eine O-Beinstellung begünstigt die Wahrscheinlichkeit an einem Tractussyndrom zu leiden. Hier steht die gesamte Struktur an der Außenseite unter erhöhter Spannung. Das ist der Grund für die Reizanfälligkeit.
- Verkürzung des Schenkelbindenspanners (bzw. Spanner der Oberschenkelbinde, Musculus tensor fasciae latae).
- Überpronation des Fußes (Übermäßiges Einknicken des Fußes vor allem beim Laufen) welches zu einem erhöhten Zug auf den Ansatz des Tractus iliotibialis am Schienbein führt und Reizzustände verursacht. Hier sei erwähnt, dass der Kauf eines stabilen Laufschuhes mit Pronationsstütze zwar gegen das momentane Einknicken schützt, aber die Ursache nicht bekämpft.
- Schwache Beckenstabilisatoren, die vor allem beim Laufen zu generellen muskulären Dysbalancen an allen Ecken und Enden führen können.
Im erweitertem Sinne für ein stabiles Knie sind auch die Adduktoren mit verantwortlich:
Die Adduktoren befinden sich an der oberen Oberschenkel-Innenseite und führen bei Kontraktion die Oberschenkel zusammen. In ihrer funktionellen Kraftübertragung können diese Muskeln so gegliedert werden:
- Schlanker Muskel (Musculus gracilis)
- Großer Anzieher (Musculus adductor magnus)
- Langer Anzieher (Musculus adductor longus)
- Kammmuskel (Musculus pectineus)
Tipp: In funktionieller Hinsicht macht es eventuell Sinn, dass Läufer/innen und Radfahrer/innen diese Muskel trainieren, in dem sie Kniebeugen in Kontext der Adduktor Öffnung ausführen. Dazu gibt es folgendes Video, welches die Herangehensweise beschreibt:
Hinweis: Das funktionielle Training der Adduktoren hat keinen Einfluss auf das hier beschriebene Läuferknie, beziehungsweise nur im weitersten Sinne damit zu tun. Aber die Adduktoren sind indirekt mit verantwortlich, dass das Knie bei Belastung (zB beim Laufen) nicht nach außen gedrückt wird. Insofern ist hier ein stabilisierender Effekt des Knies zu erwarten.
Musculus tensor fasciae latae - Spanner der Oberschenkelbinde
Der Musculus tensor fasciae latae ist eigentlich ein kleiner unauffälliger Muskel an der unteren Außenseite der Hüfte, der nur allzu oft bei der Diagnose und Trainingsplanung komplett übersehen wird. Dabei ist dieser Muskel wesentlich mitverantwortlich für das Wohlbefinden der so wichtigen Oberschenkelbinde (Tractus Iliotibilalis). Dieser Muskel spannt und zieht somit an dieser Sehne an. Dies ist seine hauptsächliche Bestimmung. Durch unseren Lebensstil in sitzender (in der Hüfte gebeugter) Position und im Speziellen durch den Bewegungsablauf im Laufsport neigt dieser Muskel sehr zur Verkürzung. Dieser Muskel muss nicht gekräftigt werden, ganz im Gegenteil, macht es für Läufer/innen absolut keinen Sinn, hier etwas kräftigen zu wollen. Viel sinnvoller ist es, diesen Muskel möglichst zu dehnen, zu mobilisieren und gegebenenfalls mit der zB Blackroll zu bearbeiten. Fazit: Es bedarf eigentlich nicht viel Aufwand, sich um diesen Muskel zu kümmern und damit effektiv gegen das Tractussyndrom vorzugehen.
Und was hat das alles mit dem festen "Knackpo" zu tun?
Ein Knackpo ist toll. Er sieht sexy, reizvoll und stark aus. "Stark" ist aber nicht gleich bedeutend mit "funktionell". Ein "fester" Muskel, welcher der Schönheit zuliebe auch im Stehen (wenn es eigentlich gar nicht notwendig ist) bewusst angespannt wird, damit er ja knackig aussieht, kann ebefalls für ein gewisses Ungleichgewicht im Oberschenkel sorgen, welches sich bis zum Knie hinuter auswirken kann. Daher empfiehlt es sich auf jeden Fall, die Hüfte und untere Extremitäten ganzheitlich zu betrachten.
Ich hoffe, mit diesem Beitrag ein Bewusstsein für die Funktionalität und das Zusammenspiel zwischen Gesäß, Hüfte und Beine geschaffen zu haben. Weitere Übungen und Infos dazu folgen ...
Markus Steinacher, am 18.8.2020