Heute führt die olympische Silbermedaillen-Gewinnerin, Weltcupsiegerin und Abfahrtslegende Brigitte Habersatter-Totschnig das Hotel Olympia in Filzmoos. Dort empfängt Sie das sport-oesterreich.at-Team, um über ihre glorreiche sportliche Vergangenheit zu reden. Lesen Sie hier ein bewegendes Interview von Gitti Totschnig anlässlich ihres 60. Geburtstages, zu welchem ihr das gesamte Team von sport-oesterreich.at alles erdenklich Gute wünscht.
Happy Birthday Gitti !!
sport-oesterreich.at: Hallo Gitti, vielen Dank, dass du dir für uns Zeit genommen hast. Unsere Frage ist, wie bist du damals zum Skisport gekommen?
Gitti Totschnig: Also zum Rennsport bin ich eigentlich durch meinen Vater gekommen. Mein Vater war im Winter Skilehrer und im Sommer Maler und er ist viel mit mir als kleines Kind Skifahren gegangen. Er hat relativ schnell gesehen, dass bei mir ein bisschen mehr da ist, sodass ich auch Rennen fahren könnte. Mein Vater hat mich dann von 6 Jahre bis 14 Jahre trainiert. Er war auch sehr ehrgeizig und mein Respekt gegenüber ihm dementsprechend groß, wenn er gesagt hat, ich soll einen Hang Schuss runterfahren, dann bin ich Schuss runtergefahren, weil eben der Respekt so groß war.
Mit 8 sind wir dann zu den ersten Skirennen gefahren, zu dem Zeitpunkt waren wir noch im Skiclub Radstädter Tauern und nicht Filzmoos, denn in Filzmoos gab es in dieser Zeit noch keinen Skiclub.
Ich kann mich noch gut an ein Rennen aus dieser Zeit erinnern, bei diesen Rennen ist mein Vater immer hinter mir hergefahren, in dem Rennen bin ich so dahin gefahren, plötzlich schreit der Torrichter ich soll aufpassen, da ist ein blödes Tor, bei dem schon viele rausgefallen sind und ich bin einfach stehengeblieben, weil ich ihn nicht verstanden habe und hab gefragt „was?“. Mein Vater hat mir dann seinen Stecken hinterher geschmissen und geschrien „fahr weiter!“. Und so hab ich halt mein 1. Rennen gewonnen. Danach kamen die ersten Bezirksmeisterschaften, die ich ebenfalls gleich gewonnen habe und dann die Landesmeisterschaften, die ich auch gewonnen habe. Bis 14 Jahre habe ich eigentlich jedes Schülerrennen auf Landes- und Bundesebene in meiner Altersklasse gewonnen. Aufgrund meiner Leistungen habe ich dann schon mit 13 Jahren im B-Kader trainieren dürfen, auch Abfahrt, allerdings durfte ich in der Abfahrt noch nicht starten, da das erst mit 14 möglich war. Ich durfte mit 13 schon ein paar FIS-Rennen fahren und mit 14 fuhr ich dann meine ersten Weltcup Rennen.
sport-oesterreich.at: Du bist also bereits mit 14 Jahren im Weltcup gefahren?
Gitti Totschnig: Ja richtig, ich war zwar noch nicht in der Nationalmannschaft, sondern im B-Kader, aber Weltcup durfte ich ab 14 Jahren fahren. Eigentlich war ich eine gute Slalomfahrerin aber da ich noch nicht so viele FIS-Punkte hatte, hatte ich immer Startnummern zwischen 80 und 100, deswegen bin ich bei fast jedem Slalom rausgefallen, damals waren die Pisten noch nicht so gut präpariert wie heute.
Damals ist man ja noch in allen Disziplinen gefahren, also Slalom, Riesenslalom und Abfahrt und in der Abfahrt ging es am schnellsten nach vorne, mit 16 Jahren hatte ich schon 2 3. Plätze in der Abfahrt.
sport-oesterreich.at: Hatten damals der A und B-Kader ein eigenes Training?
Gitti Totschnig: Nein, damals war es so, dass A und B-Kader alle miteinander Trainingskurs gehabt haben, egal ob es Konditionskurs oder Schneekurs war. Wir waren zwischen 20 und 30 Leute, also da hat sich schon viel geändert, denn heute sind sie zu zweit oder zu dritt.
sport-oesterreich.at: Ist auch jeder in allen Disziplinen gefahren?
Gitti Totschnig: Jeder von uns ist alles gefahren, der eine war halt in dieser Disziplin besser und der andere in der.
sport-oestereich.at: Und hätte man es sich damals nicht aussuchen können, dass man zum Beispiel nur Abfahrt fahren möchte?
Gitti Totschnig: Nein, eigentlich nicht, aber wenn ich mich da so zurück erinnere, die Regina Sackl war eine gute Slalomfahrerin, aber sie ist keine Abfahrt gefahren.
sport-oesterreich.at: Haben Männer und Frauen gemeinsam trainiert?
Gitti Totschnig: Nein, haben wir nicht, eine Woche haben die Männer trainiert und eine Woche die Frauen.
sport-oesterreich.at: Gab es zu eurer Zeit auch ein Sommertraining oder habt ihr im Sommer Pause gemacht?
Gitti Totschnig: Nach dem Winter haben wir einen Monat oder eineinhalb Monate Pause gehabt und dann haben im Mai die ersten Konditionskurse angefangen. In den ersten Jahren habe ich nebenbei bei Atomic noch eine Lehre gemacht als Industriekauffrau und bin in die Berufsschule gegangen, daher habe ich bei den ersten Trainingskursen in der Lehrzeit immer gefehlt. Deswegen habe ich dann natürlich viel aufholen müssen, Muskelkater bis zum geht nicht mehr. Wir haben allerdings noch nicht so umfangreich trainiert wie heutzutage.
sport-oesterreich.at: Wie oft in der Woche habt ihr da trainiert beim Aufbautraining im Sommer?
Gitti Totschnig: Jeden Tag Vormittag 3 Stunden und am Nachmittag 3 Stunden
sport-oesterreich.at: Hat der ÖSV damals auch so dominiert im Weltcup, wie es aktuell der Fall ist?
Gitti Totschnig: Ja, wir waren auch sehr viele wirklich gute Fahrer in der Abfahrt, da hat man oft ums Leiberl kämpfen müssen. Da ging es zuerst einmal intern darum, welche 10 starten dürfen und wenn man dann die 11te war, dann hat man Quali fahren müssen und hat natürlich sein können, dass du gar nicht starten hast dürfen.
sport-oesterreich.at: Wann war dein 1. Weltcupsieg?
Gitti Totschnig: Mein 1. Weltcupsieg war 1975 in der Saison, wo die Annemarie Moser-Pröll nicht gefahren ist. Da war ich im Training im Herbst auch schon ganz gut und dann, das war das 1. Weltcuprennen in dieser Saison Dezember 75. Es war eine Abfahrt und irgendwie war ich doch überrascht, dass ich auf einmal gewonnen habe. Ich habe auch nicht gewusst, warum ich in dieser Saison auf einmal so gut gefahren bin, denn ein Jahr davor habe ich eigentlich ums Überleben gekämpft.
sport-oesterreich.at: Wer waren so deine härtesten Konkurrentinnen in der Zeit?
Gitti Totschnig: Also aus Österreich eben die Annemarie Moser-Pröll und international die Marie-Therese Nadig, Rosi Mittermaier, die Epple-Schwestern und einige Französinnen aber alle weiß ich gar nicht mehr, jedenfalls waren es ein Haufen Konkurrentinnen.
sport-oesterreich.at: Dein 1. Gesamtweltcupsieg war dann im selben Jahr?
Gitti Totschnig: Richtig, das war 75/76 und das war auch das Jahr der Olympiade. Vor der Olympiade habe ich noch ein oder zwei Weltcuprennen in der Schweiz in Mairingen gewonnen und somit war ich dann auf einmal Favoritin für die Olympiade. Da war ich sehr nervös, ich habe autogenes Training gemacht und wir haben einen Therapeuten dabei gehabt, da waren wir dauernd an einen Lügendetektor angeschlossen, der erkannte, wie gut man abschalten konnte bei dem autogenen Training.
sport-oesterreich.at: Bei euch war also Mentaltraining sehr wichtig?
Gitti Totschnig: Ja ganz wichtig, denn ich war eben schon mit 16 Jahre ganz gut und bin dann in ein Loch gefallen, circa 3 Jahre und dann haben wir eben mit dem autogenen Training begonnen und das war für mich ganz wichtig.
sport-oesterreich.at: Generell im Profisport ist auch jetzt die mentale Stärke extrem wichtig, deswegen haben die ganzen erfolgreichen Sportler alle ihren Mentaltrainer.
Gitti Totschnig: Ja, aber es gibt schon welche, die sind einfach von Haus aus so stark im Kopf, die brauchen das nicht.
sport-oesterreich.at: Die Leute haben sich ja auch von dir als Favoritin bei Olympiade bestimmt viel erwartet?
Gitti Totschnig: Ja und in den Medien liest man ebenfalls, dass du auf einmal die Favoritin bist… Und beim Training bin ich immer Bestzeit gefahren oder rausgeflogen, du erwartest von dir selber dann auch Gold.
sport-oesterreich.at: Du hast dann Olympisches Silber gewonnen.
Gitti Totschnig: Ja, ich habe Silber geholt und das war dann schon im ersten Moment eine Enttäuschung für mich. Ich hatte Startnummer 7 und sie hatte Startnummer 9. Ich war bereits unten und auf einmal höre ich im Lautsprecher „neue Zwischenbestzeit Rosi Mittermeier“. Ich war eigentlich schon auf Sieg eingestellt, wenn ich runterkomme, dann gewinne ich, auch weil ich beim Training immer vorne war und selbst wenn ich nicht voll gefahren bin, bin ich Bestzeit gefahren beim Training.
sport-oesterreich.at: Aber im Nachhinein war es trotzdem ein Riesenerfolg, auch wenn es nicht Gold war oder?
Gitti Totschnig: Naja, für mich erst viele Jahre später . Mittlerweile sage ich immer, ich habe eine Medaille und die kann mir keiner mehr nehmen und es gibt so viele Sportler, die immer mit vorne dabei sind und nie das Glück haben überhaupt eine Medaille zu machen. Denn ich sehe das jetzt bei der Michaela Kirchgasser, die ist ja auch von Filzmoos, die hat heuer im Winter eine richtig aufsteigende Form gehabt bis zur Olympiade und dann zählst du dich selber ja auch zum Favoritenkreis und dann geht es daneben.
sport-oesterreich.at: Was war für dich in deiner aktiven Karriere dein größter Erfolg?
Gitti Totschnig: Die zwei Doppelabfahrten in Zell am See, da ist eine Abfahrt nachgetragen und das war auch in dem Jahr, wo die Annemarie wieder gefahren ist. Da habe ich alle zwei Abfahrten hintereinander gewonnen und es gibt nicht so viele Läufer die hintereinander in 2 Tagen gewonnen haben.
sport-oesterreich.at: Und wo war die Annemarie?
Gitti Totschnig: Einmal war sie Zweite und einmal ist sie ausgefallen. Aber die Annemarie war sowieso immer eine Ausnahmekönnerin, sie hat einfach einen Instinkt und so eine Kraft gehabt, die hat auch das mentale Training gar nicht gebraucht, die war einfach so stark im Kopf.
sport-oesterreich.at: Wie war euer Verhältnis? Wart ihr Freundinnen oder habt ihr euch nur als Konkurrentinnen gesehen?
Gitti Totschnig: Wie soll ich sagen, du brauchst eine gewisse Ellenbogentechnik, damit du vorne dabei sein kannst und das hat sie auch gehabt.
sport-oesterreich.at: Der Skisport ist schon ein Einzelsport, oder?
Gitti Totschnig: Ja, aber jetzt ist die Freundschaft zwischen uns viel besser. Damals war das irgendwie logisch, weil ein jeder hat so gearbeitet, dass er gewinnt. Jetzt treffen wir uns auch jetzt des Öfteren.
sport-oesterreich.at: Habt ihr auch eine Verbindung zu den jetzt aktiven ÖSV Damen, wie zum Beispiel Michaela Kirchgasser oder Anna Fenninger?
Gitti Totschnig: Nein, eigentlich überhaupt nicht, nur die Michaela, die treffe ich schon öfters. Aber mit Ratschlägen will ich gar nicht aufwarten, weil die Zeiten sind jetzt einfach anders.
sport-oesterreich.at: Gitti, vielen Dank nochmal für deine Zeit, was möchtest du den jungen Talenten im Sport noch mitgeben?
Gitti Totschnig: Man darf nicht aufgeben, durchhalten, durchkämpfen und mit der Zeit geht das alles dann automatisch. Und das ist auch für das weitere Leben auf jeden Fall gut, dass man sich überwunden hat durchzuhalten.